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Robert Anton Wilsons metaphysische Brüste und Me Too

Ich mag Wilson, das vorweg. Mehr noch ich schätze ihn. Begleitet er mich seit anarchisch, idealistischer Hausbesetzungs-Experimental-Lebensabschnittszeit – als randständige Pflichtlektüre einer beinahe Kommunardin. Das waren wir nicht, das waren die Siebziger oder End Achtundsechziger. Das waren unsere Eltern, wenn überhaupt. In der Regel waren sie braver Mittelstand. Polizisten, Bibliothekarinnen, Buchhalter, Lehrerinnen oder so. Ihretwegen wohl saßen wir in schmuddeligen Gemeinschaftsküchen mit durchbrochenen Wänden und haben über die Biowertigkeit von Müslis diskutiert.

 

Wilsons Art von subversivem Humor, verquickt mit aufregend neuen und noch nicht gefestigten, mehr oder weniger scheinbar wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen, gewürzt mit Fiction, die doch eher Tatsachen entsprach, war enorm erfrischend.  

Ja, er ist ein wortwitzig-gewandter Brainfucker – seine Texte lesen sich so, als würdest du altbekannte Sätze plötzlich rückwärts sprechen und das ist …ja das ist bewusstseinserweiternd.

 

Par excellence.

 

Vergessen zu erwähnen habe ich, dass alles von ihm - seiner Generation und Männlichkeit wohl geschuldet - mit einer ordentlichen Priese Sex beträufelt wurde. Jetzt da ich weiß, dass er für den Playboy schrieb und durchaus schon ein wenig altväterlich die Jahrtausendwende durchbrach, wunderts mich nicht, darf er ruhig so machen.

 

Bis ich heute auf das Kapitel „Die Metaphysik der Brust“ aus dem Buch „Coincidance: Tanz der Zufälle“ von 2008 stieß. Sehr charmant beginnt der Artikel, wohltuend, klug, anarchisch, weiblich und dann oh Graus folgt Verbitterung obgleich des Verhaltens, des eben jenen Geschlechts über dessen Macht, Würde, nährenden, lebensspendenden Eigenschaften, er des Lobes vollen Mundes – nein, es ging in Wirklichkeit um den abstrahierten Aspekt der Weiblichkeit, dem göttlichen  - ich nenne es nun immer lieber unreligiös das LEBEN.

 

Gut, dass Wilson nie einen meiner Artikel lesen wird, sonst wird er bestimmt sagen, oh, schaut her, hier ist so ein Exemplar, dass sich sträubt die Vernunft und Wissenschaft anzuerkennen, die Sex als sexistisch ablehnt oder auch nicht.

 

Nein, ich kenne die Art Frauen (und auch Männer) die er da beschreibt durchaus gut und finde sie treffend dargestellt – und doch bezweifle ich den kontinuierlichen Voranschritt zur Befreiung der Weiblichkeit, der Sexualität, der Individuen im Allgemeinen – noch erscheint mir alles als quasiger, verquirlter Brei, in dem die einzeln wohlgemeinten, durchaus revolutionären Zutaten hübsch verkocht bis zur Unkenntlichkeit - geschmacklich wie auch visuell, in passende Förmchen gedrückt auf biologisch abbaubaren Häkeldeckchen serviert werden, die jedoch gräulich verwaschen sind.

 

So schmeckts auch – nämlich gar nicht!

 

Nein, ich empfinde es derzeit eher als allgemeinen Rückschritt, obwohl ich weiß, dass das in diesem UNIVERSUM gar nicht möglich ist, es sei denn, ich denke mir tollkühn weitere UNIVERSEN hinzu und wünsche mich in ein anderes. Theoretisch funktioniert das.

 

Ich fühlte mich sofort auf die allgegenwiedrige Me Too-Kampagne gestupst – Me Too – ich auch – ich bin auch ein Opfer – und böse ist, wer Böses denkt. Verdammt, man konnte sich schlecht dagegen stemmen – weil ja Männer tatsächlich immer noch Frauen und Kinder missbrauchen, vergewaltigen, belästigen, demütigen und glauben es stünde ihnen simpel einfach zu, garniert mit einer zu süßlichen, kandierten Belegkirsche eines Playboy Gentlemen. Dieses ,Ich bin so frei, potent und charmant kultiviert Getue, aber in Wahrheit sind wir rücksichtslose WiXer,‘ die tatsächlich glauben, es gäbe nur männliche sexuelle Bedürfnisse. Angeblich müssen Männer 90% des Tages nur daran denken…daran.

Ich kann mich noch gut an die Aufregung und das kleine Spektakel erinnern, den das Buch ‚Angst vorm Fliegen‘ von Erica Jong ausgelöst hat, weil darin eine Frau beansprucht sich masturbierend, sprich selbstbefriedigend, genüsslich ihren Orgasmus zu zelebrieren, so oft und wo immer sie wollte. Ähnlich der kleinen Erschütterung, den eine so belanglose, kommerziell adrette Serie wie ‚Sex in the City‘ auslösen konnte – ja Frauen haben Sex, weil sie ihn wollen, wie sie wollen und ja sie reden darüber – deftig, ungeniert und lustvoll.

 

Eines muss man „Me Too“ definitiv absprechen – mit Lustvoll hat das nix zu tun – hier dürfen Frauen sich lediglich als Opfer definieren, die möchten, dass Männer jetzt bestraft werden. Sie dürfen oder wollen sich nicht sexuell lustvoll darbieten und einfordern selbstbestimmt ihre Partner zu wählen.

 

Ja, doch das klappt. Ja, das gibt es.  Und ja, nicht jede Schauspielerin musste auf der Besetzungscouch die Beine spreizen.

 

Warum hat keiner die Frauen gefragt, denen das nicht passiert ist oder die sich erfolgreich gewehrt haben, wie sie das gemacht haben? Und warum hat keiner die Frauen gefragt, die wissend ihre Sexualität aggressiv und manipulativ eingesetzt haben?

 

Sind das keine guten Stories?

 

Darf sich Rotkäppchen nicht allein aus dem Bauch des Wolfes schneiden?

 

Immer schwang unheilvoll beständig, der düstere Schwengel der Selberschuld über jenen, die sich offenbarten, kleine sudelige Kleckse tropfend. Die heilige Jungfrau hat keine Vagina. So steht es geschrieben.

 

Es sind Frauen, die ihre kleinen Mädchen genital verstümmeln und verstümmeln lassen. Es ist Frauenwissen, wie viele und ob sie überhaupt Kinder bekommen wollen und müssen.

 

Es sind in der Regel Frauen, die den entbehrungsreichen Alltag schmeißen, sich aufzehren lassen, sich für die Familie opfern – nicht, weil sie Opfer sind – sondern weil sie so unglaublich fucking stark sind und glauben es noch immer aushalten zu können.

 

Wenn sie das permanente Objekt der Begierde sind, dann müsste es ihnen klar sein, welche enorme Macht dem innewohnt. Uns innewohnt.

 

Und die, die es wissen, die es nutzen, sind das nicht die Schlechten?  Und denen, denen so schreckliche Ding wiederfahren sind, sind die nicht selbst schuld?

Augen auf bei der Berufswahl!

Oder gelten nicht gar heimliche Regeln des Erfolgs, so wie: der Erfolg heiligt die Mittel?

 

Tatsächlich ist Naivität kein Freifahrtsschein fürs Lebensglück, in der Regel ist es ein Geisterbahnticket. Wie Nietzsche* sagte, die Naiven müssen den bitteren Kelch mit Gift bis zur wirklich letzten Neige trinken.

 

Frauen sind angehalten Frauen zu zeigen, wie sie sich schützen können, wie sie sich einfordern können. Sie dürfen sich ihre Lust selbst erlauben und leben.

 

Männer und Frauen sind in Wahrheit nicht dazu da, sich gegenseitig zu belauern oder zu entwerten - wir sind in vielfältiger Weise eine Einheit, eine traumhafte Ergänzung. Und ja, Liebe und Lust sind das Treibmittel fürs LEBEN schlecht hin. Verstümmeln wir uns da, dann schneiden wir uns ab vom Leben, dann verdorren wir - egeHebbel sagte, die NAiven müsseHeejeder für sich allein.

 

zonfeld

 

*bin mir nicht sicher, war es Nitzsche oder doch ein anderer...?

 

Coincidance: Tanz der Zufälle / Taschenbuch

Robert Anton Wilson, Phänomen-Verlag;

Auflage: 1 (10. April 2008)

Weitere empfehlenswerte Lektüre von Herrn Wilson:

Die Cosmic Trigger Triologie - bricht verkrustete Denkmoleküle auf, dehnt das Bewußtsein und kann in verschiedenen durchaus vertrackten Lebenslagen helfen!


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